Flash news aus Frankreich

14 Februar 2020
Nicola Kömpf, Friedrich Niggemann, Mathilde Gicquel

DEFEKTE LIEFERUNG NACH FRANKREICH KANN ZUR HAFTUNG IM INSOLVENZFALL DES KUNDEN FÜHREN!

In einem Urteil vom 27. November 2019 hat der französische Kassationshof einen Lieferanten verurteilt, die finanziellen Konsequenzen der Insolvenz einer seiner Kunden zu tragen.

Der Lieferant hatte den Kunden mit mangelhaftem Klebstoff beliefert, die zum Rückruf von tausenden von Produkten beim Kunden und fast kompletten Umsatzverlust geführt haben.

Der Kunde hatte auf Schadensersatz gegen den Lieferanten geklagt, der die Mangelhaftigkeit stets zurückgewiesen und somit jede Entschädigung verweigert hat.

Fazit: der Kunde hat Insolvenz anmelden müssen und der Kassationshof hat eine direkte Kausalität zwischen der mangelhaften Ware und der Insolvenz festgestellt, die zu Schadensersatzansprüchen gegen den Lieferanten geführt haben.

Es ist also bei Mängelklagen zu beachten, welche Folgen diese haben können und gegebenenfalls zu versuchen, eine gütliche Einigung einem Gerichtsverfahren vorzuziehen.

JAHRESTAGESPAUSCHALEN ANSTELLE VON STRIKTEN ARBEITSZEITEN – ELDORADO ODER FALLE?

Die sog. „forfaits jours“ (Jahrestagespauschalen, d.h. der Arbeitnehmer arbeitet pauschal 218 Tage/Jahr unabhängig von der Stundenzahl) sind gerade bei ausländischen Arbeitgebern in Frankreich sehr beliebt, da es praktisch unmöglich ist, die genauen Arbeitszeiten der französischen Mitarbeiter auf Distanz zu verfolgen und zu überwachen.

Hier lauern jedoch erhebliche Gefahren. Insbesondere ist es nur zulässig, eine solche Jahrestagespauschale mit Mitarbeitern zu vereinbaren, die frei ihre Arbeitszeit organisieren können und insofern der anwendbare Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung diese Möglichkeit vorsieht.

Darüber hinaus ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitslast des betroffenen Mitarbeiters zu verfolgen, sowie den notwendigen Ausgleich zwischen Berufs- und Privatleben zu sichern. Mindestens einmal im Jahr muss ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer stattfinden und protokolliert werden, etc.

Die entsprechenden Maßnahmen sollten im Tarifvertrag oder in der Betriebsordnung festgelegt sein.

Bitte beachten Sie, dass laut eines Urteils des französischen Kassationshofs vom 19. Dezember 2016, der Arbeitgeber die Beweislast für die Einhaltung der Maßnahmen trägt.

Haben Sie diese Gespräche dieses Jahr schon geführt?

Liegen Ihnen die Tabellen aller gearbeiteten/und nicht gearbeiteten Tage für 2019 vor?

Haben Sie die notwendigen Vorkehrungen getroffen, um Ihren Mitarbeitern eine ausgeglichene Work-Life Balance zu sichern?

Falls nicht, droht die Nichtigkeit der Vereinbarung der Jahrestagespauschale und ein Recht der Vergütung aller Überstunden ab 35 Stunden/Woche mit 2jähriger Verjährungsfrist.

VORSICHT BEI EINVERNEHMLICHEN VERTRAGSBEENDIGUNGEN („RUPTURE CONVENTIONNELLE“) IM FRANZÖSISCHEN ARBEITSRECHT

In jedem Fall ist zu beachten, dass eine „rupture conventionnelle“ nicht einer Aufhebungsvereinbarung eines Arbeitsvertrags nach deutschem Recht entspricht.

Der gesamte Vorgang mit Vorgespräch(en), Vereinbarung, Bedenkzeit (15 Kalendertage), gefolgt von einer Prüfungsfrist durch die Arbeitsaufsichtsbehörde (15 Werktage) ist sehr formell gestaltet und die Vereinbarung kann nur die Konsequenzen der Vertragsbeendigung (inkl. Entschädigung wegen Vertragsbeendigung) regeln, jedoch nicht alle weiteren Ansprüche ausschließen.

In einem Urteil vom 23. Januar 2020 hat der französische Kassationshof außerdem bestätigt, dass eine „rupture conventionnelle“ mit einem Arbeitnehmer, der von Mobbing betroffen und dadurch psychisch angeschlagen ist, durchaus für nichtig erklärt werden kann, wenn das Einverständnis des Arbeitnehmers dadurch beeinträchtig war.

Eine einvernehmliche Vertragsbeendigung mit einem französischen Arbeitnehmer ist daher immer vorsorglich gegen eine mögliche Kündigung, gefolgt von einem Vergleich, abzuwägen, denn Rechtssicherheit besteht bei „rupture conventionnelle“ nicht unbedingt.

BRAUCHT IHRE FRANZÖSISCHE TOCHTERGESELLSCHAFT (SAS – VEREINFACHTE AKTIENGESELLSCHAFT) IHREN ABSCHLUSSPRÜFER (COMMISSAIRE AUX COMPTES) NOCH?

Im Rahmen des PACTE Gesetzes vom 22. Mai 2019 werden die Schwellenwerte und Voraussetzungen für die zwingende Ernennung eines Abschlussprüfers erheblich erleichtert, um es Kleinst- und kleineren Firmen zu ermöglichen, Kosten zu sparen.

Handelt es sich um eine Tochtergesellschaft in Form einer SAS, deren Stammkapital zu mehr als 50% von der Muttergesellschaft gehalten wird, ist die Ernennung/Verlängerung des Mandats des Abschlussprüfers nicht mehr zwingend, wenn der Bilanzbetrag unter 2 Mio € liegt oder der Jahresumsatz weniger als 4 Mio € beträgt und die Firma weniger als 25 Angestellte beschäftigt.

Diese Bedingungen sind kumulativ, d.h. auch, wenn der Umsatz 4 Mio € übersteigt, die Arbeitnehmerzahl jedoch unter 25 liegt, ist die Ernennung des Abschlussprüfers nicht mehr zwingend.

Ein laufendes Mandat (6 Jahre nach französischem Recht) muss jedoch beendet werden, es sei denn, man einigt sich mit dem Abschlussprüfer auf einen reduzierten Auftrag.

Bei Gesellschaftsgründungen und anderen Gesellschaftsformen als „SAS“ gelten gegebenenfalls andere Schwellenwerte und Voraussetzungen.

EINSCHLÄGIGE ÄNDERUNGEN IM FRANZÖSISCHEN ZIVILPROZESSRECHT

Ab dem 01.01.2020 ist in Frankreich eine sehr weitreichende Zivilprozessrechtsreform in Kraft getreten.

Wesentliche Teile dieser Reform sind:

– Zusammenlegung der Amts- und Landgerichte (Tribunaux d’Instance et de Grande Instance), um ein erstinstanzliches „Tribunal Judiciaire“ zu gründen.

– Einführung der Anwaltspflicht bei einem Streitwert von mehr als 10.000 € vor dem „Tribunal judiciaire“, auch im Eilverfahren. Gleiches gilt für Verfahren vor dem Handelsgericht (Tribunal de Commerce), was eine Revolution im französischen Gerichtsbild darstellt.

– Einführung einer Verfahrensvariante ohne Verhandlungstermin im Einverständnis der Parteien.

– Ab jetzt sind erstinstanzliche Urteile grundsätzlich vorläufig vollstreckbar, was bislang nur auf Antrag möglich war, dem selten stattgegeben wurde.

Verfahrensstrategien sind zukünftig zu überdenken und den neuen Grundlagen anzupassen.

SEIT DEM 01.01.2020 GIBT ES KEINE BETRIEBSRÄTE (COMITÉ D’ENTREPRISE) MEHR – HAT IHRE FRANZÖSISCHE TOCHTERGESELLSCHAFT DEN NEUEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS (COMITÉ ÉCONOMIQUE ET SOCIAL – CSE) EINGERICHTET?

Laut der französischen Presse hat jede zweite Firma mit mehr als 10 Angestellten den neuen „CSE“ noch nicht eingerichtet, obwohl dies in allen französischen Unternehmen mit mehr als 10 Arbeitnehmern seit dem 01.01.2020 Pflicht ist.

Dieser CSE fasst die früheren Instanzen des Personalvertreters, Betriebsrats und des Hygiene- und Sicherheitsrats in einem Organ zusammen.

Die Konsequenzen eines fehlenden CSE, sind insbesondere:

– Der Arbeitgeber kann wegen eines Hinderungsdelikts (délit d’entrave) angezeigt werden (Art. L.2312-1 des französischen Arbeitsgesetzbuchs), das mit einer Gefängnisstrafe von max. 1 Jahr und einem Bußgeld von 7.500 € geahndet wird.

– Die Mandate der früheren Personalvertreter sind automatisch am 31.12.2019 um Mitternacht erloschen.

– Es gibt folglich keine Instanz mehr, die ordnungsgemäß informiert und konsultiert werden kann, was wiederum zu Schadenersatzansprüchen führen kann.

Die führenden Gewerkschaften haben einen Aufschub beim Ministerium für Arbeit gefordert, bislang ohne Erfolg.

Es ist daher dringend ratsam, umgehend das Verfahren zur Bildung eines CSE in jedem französischen Unternehmen mit mehr als 11 Arbeitnehmern einzuleiten.

Nicola Kömpf, Partner, Friedrich Niggemann, Of Counsel, Mathilde Gicquel, Angestellte Rechtsanwältin